Säße ich im Rollstuhl, hätte jeder Mitleid mit mir.

Wenn ich sage, dass ich Legastheniker bin, gelte ich als dumm.

– Professor Dr. med. Tiemo Grimm –
Facharzt für: Humangenetik, Kinder/Jugendmedizin,
an der Universität Würzburg und Legastheniker

Ursache

Niemand hat „Schuld“ an einer Dyskalkulie, weder das Kind, die Eltern, noch die Schule. Die Ursachen sind sehr unterschiedlich.

Neuropsychologische Ursachen

Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass in unserem Gehirn drei unterschiedliche Funktionseinheiten oder Module für die Zahlenverarbeitung zuständig sind. Eine Einschränkung dieser Module macht sich demnach durch spezifische Probleme in den jeweiligen Funktionen bzw. bei deren Zusammenspiel bemerkbar.

Entwicklungspsychologische Ursachen

Wissen wird im Laufe unseres Lebens entwickelt, d.h. beim Lernen wird meist an bereits Erlerntes angeknüpft und ein Gesamtbild erweitert. Dieses Wissen kann sich auf Grundkategorien beziehen, in die Erlebtes eingeordnet wird, auf kulturelle Vereinbarungen (z.B. die Verwendung bestimmter Symbole und Zeichen), auf logisch-mathematische Strukturen (Abstraktionen, Beziehungen zwischen Objekten, logische Konzepte) oder Regelsysteme (Lösungsverfahren, Schreibweisen bspw. von Brüchen).

Beim eigentlichen Rechnen wird auf eine Vielzahl von entwickelten Kenntnissen zurückgegriffen, die integriert angewandt werden. Eine Störung in der persönlichen Lernentwicklung kann daher ebenfalls Ursache für eine Dyskalkulie sein.

Linguistischer Ansatz

Mathematik ist und hat eine eigene Sprache, die erlernt werden muss. Eine Beeinträchtigung im Sprachverständnis kann sich durchaus auch im mathematischen Bereich auswirken. Das „Übersetzen“ von Symbol- bzw. Zahlbildern in Mengenbegriffe oder Rechenoperationen bereitet dann große Probleme.

Genetischer Ansatz

Erkenntnisse aus der Säuglingsforschung deuten darauf hin, dass die Fähigkeit zum Erwerb mathematischer Kompetenzen bereits angeboren sein muss.

Fehlerorientierter Ansatz

Werden falsche Lösungsstrategien verwendet und über einen längeren Zeitraum eingeübt, kann sich daraus eine Rechenstörung manifestieren. Mathematik ist ein in sich aufgebautes System, in dem größere Lücken dazu führen, dass das Fundament nicht mehr ausreicht, um das erlernte Wissen anzuwenden. Wichtig ist, dass man herausfindet, wie die aktuelle mathematische Lernausgangslage des rechenschwachen Kindes aussieht, auf welchem mathematischen Lernstand sich das Kind befindet. Dieser ist der Ausgangspunkt für eine förderdiagnostische Intervention.

Die Ursachen für eine Rechenstörung sind sehr komplex, daher muss genau analysiert werden, welche Probleme im Detail bestehen. Fördermaßnahmen müssen daraufhin individuell und passgenau zusammengestellt werden, denn jedes Kind bedarf einer ganz spezifischen Hilfe.